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Jugendhilfeausschuss initiiert Diskussion über »Systemsprenger«

Auf Einladung des Jugendhilfeausschusses fand am 24. Februar 2020 in Fürstenwalde eine Podiumsdiskussion statt, die sich einreiht in die gesamtgesellschaftliche Debatte zu „Systemsprengern“, die seit einiger Zeit auch im Landkreis Oder-Spree ihre Ausprägung findet. Unsere Gesellschaft und das Jugendhilfesystem werden durch immer komplexere Hilfefälle gefordert. Daher hatten der Ausschussvorsitzende Stefan Wende und seine Stellvertreterin Erdmute Scheufele ins Kino Union eingeladen: Anhand des Films „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt warfen Gäste aus Jugendhilfe, Politik, Verwaltung, Schule u.v.m. einen exemplarischen Blick auf einen sensiblen Bereich, der zudem hohen Datenschutzanforderungen unterliegt.

Sehr anschaulich werden im Film die großen Herausforderungen, denen sich die Akteure der Kinder- und Jugendhilfe gegenüber sehen, dargestellt. Vor allem in Abstimmung mit weiteren Systemen, wie dem Schul- oder dem Gesundheitswesen, bleiben Spannungen nicht aus. Wie gehen wir damit um? Das fragte der Moderator Michael Völker (BIUF e.V.) nach dem Abspann des Films im Rahmen einer Podiumsdiskussion.

Frau Conen, (Dr. phil., Dipl.-Psych., Dipl.-Päd., M. Ed. (Temple University), die als Supervisorin und systemische Familientherapeutin tätig ist, wünschte sich einen grundsätzlichen Wandel in der Herangehensweise, da sich über die Jahre in der Jugendhilfe ein gesteigerter Rechtfertigungsdruck aufgebaut hat und es häufig eher um rechtliche Absicherung geht. Es fehle häufig die Zeit, eine Familie im Ganzen zu betrachten. „Oft wird gewissermaßen ein Heftpflaster benutzt, um einen Beinbruch zu versorgen. Es wird nicht geschaut, welche Ursachen hinter dem Verhalten eines Kindes stehen“, sagte sie. Frau Herwig, Teamleiterin beim freien Träger der Jugendhilfe Haus Kiebitz e.V. und auch politisch als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII im Planungsraum Erkner mit der Gestaltung des Hilfesystems beauftragt, sah es ähnlich. Sie bedauerte das Dilemma der Menschlichkeit in einem Feld, in dem zu oft auch zeitliche und finanzielle Ressourcen eine Rolle spielen: „Wer in den Hilfen zur Erziehung arbeitet, hat sich für mehr entschieden, als einfach nur einen Beruf.“

Herr Wende, als Vertreter der Kreistagsabgeordneten auf dem Podium, betonte die Wichtigkeit des politischen Gestaltungsraums. Es sei wichtig, Fragen zu stellen und besonders im Bereich der Jugendhilfe das Beste für möglichst viele Menschen zu erreichen. Er bemängelte, dass häufig die breite Aufmerksamkeit für das Thema fehle und wünschte sich: „Wir als System müssen inklusiv werden.“ Besonders den Prozess der SGB VIII-Reform heiße es nun genau anzuschauen.

Der Amtsleiter des Jugendamtes des Landkreises Oder-Spree, Herr Lampert, schätze ein, am wichtigsten sei es, gemeinsam mit allen in Jugendhilfe Involvierten den Austausch zu suchen. „Es kann auch mal kontrovers diskutiert werden, um die beste Lösung für ein Kind und dessen Familie zu finden. Aber dann müssen am Ende alle an einem Strang ziehen. Sonst ist Jugendhilfe zum Scheitern verurteilt“, findet er.

Alle Gäste hatten die Möglichkeit, ihre Anliegen, Fragen oder Vorschläge schriftlich vorzubringen. Diese können auch im Nachgang noch per E-Mail an buero.jha@landkreis-oder-spree.de geschickt werden. Der Unterausschuss Jugendhilfeplanung wird sich weiter mit dem Thema befassen.

Jugendamt Landkreis Oder-Spree

Datum: 2. März 2020